Infodienst

Bernd Podlech-Trappmann informiert
über Wehrdienst und Zivildienst

Neue Einberufungsregelungen für Wehr- und Zivildienst

Das Bundesministerium der Verteidigung hat das Bundesamt für Wehrverwaltung angewiesen, Einberufungen bestimmter wehrpflichtigen Gruppen nicht mehr vorzunehmen. Die Regelungen gelten in vollem Umfang auch für den Zivildienst. Nach eigenen Angaben des Bundesministeriums der Verteidigung ist davon auszugehen, dass 70.000 Wehrpflichtige über 23 Jahre alt und 80.000 Wehrpflichtige mit T3 gemustert ebenso betroffen sind, wie ca. 45.000 Dienstpflichtige im Zivildienst mit der Maßgabe, dass dieselben nicht mehr einberufbar sind. Hierunter fallen unter anderem verheiratete oder in gleichgeschlechtlichen, eingetragenen Lebenspartnerschaften lebende Wehrpflichtige ebenso, wie Wehrpflichtige, die das 23. Lebensjahre vollendet haben.

Wehrpflichtige, die über die Vollendung des 23. Lebensjahres hinaus unabkömmlich gestellt worden sind, werden ebenfalls nicht mehr einberufen. Wehrpflichtige, die wegen einer Zurückstellung nach § 12 WPflG nicht vor Vollendung des 23. Lebensjahres zum Grundwehrdienst haben einberufen werden können und deren Zurückstellungsgrund entfallen ist, können bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres einberufen werden. T3 gemusterte Wehrpflichtige sind in Abhängigkeit vom Bedarf nur noch nachrangig einzuberufen, es sei denn, sie wünschen ihre Einberufung bzw. erklären ihre Bereitschaft, freiwillig längeren Wehrdienst zu leisten.

Unter Bezugnahme auf o. a. Ausführungen hat das Verwaltungsgericht in Köln (Az: 8 L 3008/03) wegen einer Einberufung zur Ableistung des Grundwehrdienstes zunächst die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Einberufungsbescheid des KWEA Köln angeordnet und im weiteren Verlauf im Klageverfahren (Az.: 8 K 154/04) ausgeurteilt, dass der Einberufungsbescheid des KWEA Köln in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Wehrbereichsverwaltung West aufzuheben ist. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, da die Revision zugelassen wurde.

Aus den Entscheidungsgründen des Verwaltungsgerichts Köln ergibt sich, dass nach dortiger Auffassung der angefochtene Einberufungsbescheid rechtswidrig ist, wodurch der Kläger in seinen Rechten verletzt wird. Nach Ansicht dieses Gerichts sei die auf der Rechtsgrundlage des § 21 WPflG erfolgte Einberufung des Klägers willkürlich und verletze diesen in seinem aus Artikel 2 I GG abzuleitenden Recht, vor willkürhaftenden Entscheidungen der Behörden verschont zu bleiben.

Soweit ein Wehrpflichtiger zur Ableistung des Dienstes einberufen werde, erfolge damit eine willkürliche Diskriminierung, weil die Einberufung zur Ableistung des Dienstes von sachgerechten Erwägungen der Wehrgerechtigkeit nicht mehr getragen sei im Zusammenhang mit der neuen Einberufungspraxis aufgrund der seit dem 01.07.2003 geltenden Einberufungsrichtlinien. Diese Praxis verstößt nach Ansicht des Gerichts gegen den Grundsatz der Wehrgerechtigkeit. Mit den neuen Einberufungsrichtlinien des Bundesministeriums der Verteidigung werde nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Köln ein derart großer Personenkreis von der Ableistung des Wehrdienstes ausgenommen, dass gerade nicht mehr davon ausgegangen werden könne, dass die Wehrgerechtigkeit noch gewahrt sei.

Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht in Koblenz einen gleichartigen Antrag eines Wehrpflichtigen zu dem Aktenzeichen 7 L 616/04.KO abgelehnt mit der Begründung, dass Änderungen und Erweiterungen von Wehrdienstausnahmen allein dem parlamentarischen Gesetzgeber obliegen, so dass für administrative Wehrdienstausnahmen kein Raum besteht.
Eine derartige Einberufungspraxis ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gesetzeswidrig und kann auch mit Blick auf Art. 3 I GG eine Freistellung anderer Personen nicht rechtfertigen, weil ein Antragsteller sich grundsätzlich nicht darauf berufen kann, Artikel 3 I GG gewähre einen Anspruch auf Gleichheit im Unrecht. Darüber hinaus ergibt sich aus den Entscheidungsgründen, dass davon abgesehen der Antragsteller auch neben den im Allgemeinen mit der Ableistung des Wehrdienstes verbundenen Schwierigkeiten keine individuellen, auf seine Person bezogenen Gründe vorgetragen habe, die - eine offene Rechtslage zu seinen Gunsten unterstellt - bei der Interessensabwägung im Rahmen des § 80 V VwGO zu einem Überwiegen seiner privaten Interessen am vorläufigen Aufschub der Einberufung führen würden.

Im Ergebnis steht fest, dass es auch weiterhin stets einer exakten Überprüfung der Sach- und Rechtslage im Einzelfall durch qualifizierte Rechtsberater bedarf.

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