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Geplante Aussetzung der Wehrpflicht

Soldaten verzweifelt gesucht
Bundeswehr befürchtet, dass sich zu wenige Freiwillige melden

„Stell Dir vor, die Bundeswehr sucht Freiwillige, und keiner geht hin!“

Soweit ab dem 01.07.2011 die Wehrpflicht ausgesetzt wird, soll die Bundeswehr eine reine Freiwilligen-Armee sein, mit 170.000 Zeit- und Berufssoldaten und 15 jungen Männern und Frauen, die einen freiwilligen Wehrdienst von 12 bis 23 Monaten leisten.

Bis dato ist alles Theorie. Niemand weiß, ob es überhaupt genügend Freiwillige geben wird. Die Unsicherheit spiegelt sich schon darin, dass in allen Planungen von „bis zu“ 185.000 Soldaten in der Bundeswehr der Zukunft die Rede ist - es können also auch weniger sein.

Die Bundeswehr-Planer legen bei einer durchschnittlichen Dienstzeit von 18 Monaten einen Regenerationsbedarf von 10.000 Personen pro Jahr zu Grunde. Hier geben sich die Planer mit zwei Bewerbern pro Stelle zufrieden, also mit 20.000. D.h. dass die Bundeswehr insgesamt künftig jährlich mehr als 70.000 Interessenten finden müsste.

Im Jahre 2010, dem letzten der vollen Wehrpflicht, hatte die Bundeswehr 32.000 Stellen für Berufs- und Zeitsoldaten sowie für freiwillige Längerdienende zu besetzen. Dabei konnte sie aus 67.500 Bewerbern auswählen. Die kamen allerdings zu 40 % aus dem Stamm der Wehrpflichtigen. Um sie musste man nicht werben; sie kannten die Bundeswehr schon aus dem Grundwehrdienst und wussten, worauf sie sich einlassen. Um künftig die erhofften Freiwilligen zu interessieren, wird man dagegen kräftig die Werbetrommel rühren müssen - ganz zu schweigen von den Maßnahmen, die nötig sind, um den Dienst selbst attraktiver zu machen

In den USA wenden die Streitkräfte im Durchschnitt 30.000,00 $ auf, bevor ein Bewerber überhaupt seine Unterschrift unter einen Vertrag setzt. Übertragen auf den Bedarf der Bundeswehr wären dies etwa 1,6 Milliarden Euro. Der Bundeswehrverband, der einen Forderungskatalog zur Attraktivitätssteigerung aufgelegt hat, rechnet dafür mit Mehrkosten von einer Milliarden Euro. Einzelheiten des künftigen Attraktivitätsprogramm sind noch völlig offen. Konkret vorgesehen ist lediglich, dass freiwillig Dienende zwischen 1.000,00 und 1.400,00 € netto im Monat bekommen sollen. Wer sich aus dem Grundwehrdienst heraus in diesem Jahr für eine längere Dienstzeit verpflichtet, soll eine Prämie von 100,00 bis 125,00 € pro Monat der Verpflichtungszeit erhalten.

Ob das ausreicht, wird bis in höchste Ränge der Bundeswehr bezweifelt.

Die eingeleitete Bundeswehrreform dreht sich nicht allein ums Personal. sicherheitspolitische Belange müssen mit den Möglichkeiten des Staatshaushalts, dem strukturpolitischen Bedarf an Standorten und den Erfordernissen der Rüstungsindustrie in Einklang gebracht werden. Aber ohne passendes Personalkonzept kann die ganze Reform nicht gelingen.

Das Unternehmen Bundeswehr

Der Erfolg eines Unternehmens steht und fällt mit der Qualität seiner Mitarbeiter. Das wissen auch Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und sein Generalinspekteur Volker Wieker. Mit der Umwandlung in eine Freiwilligen-Armee zur Mitte des Jahres 2011 muss sich die Bundeswehr verstärkt dem Wettbewerb um die besten Köpfe stellen. Dazu braucht man nicht nur viel Geld, sondern auch Ideen und ein attraktives Firmen-Image. Der Verteidigungsminister steht in der Pflicht, den vom Kabinett festgesetzten Umfang der künftigen Bundeswehr von 185.000 Mann zu erreichen. Der Verteidigungsminister kann sich nicht derart herausreden, dass er ja nur 163.500 für finanzierbar gehalten habe. Er hat der politisch gewollten Zielgröße zugestimmt. Aus dieser Verantwortung kann er sich mit seinen ständigen Mahnungen im Nachhinein, dass die Sparziele des Kabinetts zu ehrgeizig sind, nicht herausstehlen.

Warner warnen, dass die Bundeswehr nicht zu einer Heimstadt für abenteuerliche Rambo’s oder irgendwo chancenlos Zurückgebliebene werden darf. Darauf muss die Gesellschaft als Ganzes achten.

(Süddeutsche Zeitung 02.02.2011)

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